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Course Content (Syllabus)
Ist ein Ende denkbar ohne jedes Danach? Oder begründet das Ende immer schon den nächsten Anfang? Und umgekehrt: Ist allem Anfang sein Ende bereits eingeschrieben? Macht Teleologie (noch) Sinn? Endet alle Unschuld im Jahr 1914, endet die Geschichte 1989, und kann sich der Kapitalismus (s)ein Ende vorstellen? Ist das Ende des Raums dort erreicht, wo wir über die Kante der Weltscheibe stürzen? Oder expandiert das Universum unendlich? Ist unsere Zeit die Endzeit der Literatur, der Schrift und der Gutenberg-Galaxie? Endet alles Schreiben im Computercode – und wie erinnert der Code, was vor dem Ende war? Was weiß die Sterbeszene vom Tod, und was wissen Himmelfahrt und Höllenbesuch seit Homer vom Leben danach? Wie entkommt man dem Ende – mit Kryogenetik, Klimaschutz, Memory Chip? Schließlich: Wenn das Ende gut ist, ist dann alles gut?
Mit Fragen wie diesen will sich unser Seminar beschäftigen. In breiter Perspektive – aber weder historisch linear noch mit dem Anspruch auf Vollständigkeit – werden wir versuchen, uns den kulturellen, medialen, literarischen, politischen, epistemologischen Konzepten vom Ende zu nähern. In gemeinsamer kritischer Lektüre und Diskussion geht es dabei etwa um zeitliche (historische) wie auch um räumliche (geographische) Figuren des Endes; wir widmen uns dem persönlichen und dem planetarischen Ende des Lebens, aber genauso seiner – biologischen oder politischen – Abwendung. Wir folgen Phantasien und Inszenierungen des Endes in Literatur, Medien, Kultur und Philosophie; wir untersuchen Alterswerk, Götterdämmerung und Happy End in den narrativen Künsten und nicht zuletzt die Frage, was nach dem Ende des »Subjekts« von einem posthumanen Denken und Dasein zu erwarten sein wird. Auf solche Weise soll deutlich werden, dass das Ende nicht einfach Abschluss und Tilgung bedeutet; stattdessen ist es Verhandlung und Handlungsanstoß: in seinem Bevorstehen produziert es fortwährend die Zukunft.
Das Seminar ist das dritte und letzte einer Serie von Lehrveranstaltungen, die über die Dauer von drei Semestern angelegt ist. Da dieser Kurs zum Begriff des ENDES als autonome Einzelveranstaltung konzipiert ist, ist der Besuch der zurückliegenden Seminare zum ANFANG und zur MITTE keine Teilnahmevoraussetzung!