Elektronischer Zugang zu Unterrichtsmaterialien
Course Content (Syllabus)
»Es waren einmal drei kleine Schweinchen ...« Lesen wir diesen Satz, dann liegt die Frage nahe, was weiter geschieht und was den Schweinchen wohl widerfährt. Im Gegensatz dazu schlägt Wayne Booths Essay »Critical Understanding« eine Lektüreweise vor, die der Text selbst nicht bereits vorschreibt, sondern vor allem das Abseitige, das »Miss«-Verständnis und die »Fehl«-Auslegung als produktiv anerkennt: Weshalb nicht fragen, was das Märchen von den drei Schweinchen und dem Wolf zu sagen hat über »Behaarte und Kahle, Magere und Fette, die Dreieinigkeit, oder die Architektur«, oder was es mit all dem verdächtig erotischen »Ächzen und Stöhnen« auf sich hat?
In diesem Sinne will das Seminar untersuchen, wie wir einen Text aufschließen, welche Interpretationen den Text bloß »wiederholen« und welche Lesarten ihm womöglich neue, forcierte, kreative, zuvor unbedachte Perspektiven entlocken. Ganz praktisch – nämlich im Hinblick auf unser tägliches wissenschaftliches Arbeiten – geht es um das Öffnen von Literatur (und fallweise auch von Bildern oder Filmen): Anhand konkreter Beispiele üben wir, wie man aufspüren kann, was uns ein Text un/wissentlich mitteilt oder vorenthält und wie scheinbare Nebensachen plötzlich ins Zentrum der Interpretation rücken. Wir finden heraus, wie das manchmal sehr persönliche Faszinosum oder Punctum eines Texts in wissenschaftliche Lektüre überführt werden kann. Wir fragen danach, wie man den literarischen Text an andere Praktiken, Wissensfelder und Disziplinen anschließen kann und wie man den »richtigen« theoretischen Zugang er/findet. Und indem wir all dies probehalber in Schrift- oder Vortragsformen gießen, erfahren wir, wie man – jenseits akademischer »Korsette« – zu einer lustvollen und niemals selbstverständlichen Analyse gelangt.